Impfen bei Immunsuppression: Was gilt bei MS, Rheuma, Morbus Crohn und Colitis ulcerosa?

10.08.2023 |

Warum mit Autoimmunerkrankung impfen lassen?

In Deutschland haben etwa 5 Millionen Menschen eine immunvermittelte Erkrankung, manchmal vereinfacht Autoimmunerkrankung genannt. Zu den häufigsten dieser Erkrankungen gehören die Multiple Sklerose (MS), die rheumatoide Arthritis (umgangssprachlich: Rheuma) sowie die chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (CED). Menschen mit diesen Erkrankungen haben bei Infektionskrankheiten häufiger einen schweren Verlauf und werden mit diesen öfter ins Krankenhaus eingewiesen. Sie haben auch ein höheres Risiko als Menschen ohne diese Vorerkrankungen an Infektionen zu sterben. Deshalb ist ein ausreichender Impfschutz besonders wichtig. Zudem können bestimmte Impfungen zusätzlich oder in einem jüngeren Alter empfohlen sein. 

Menschen mit einem geschwächten Immunsystem sind durch Infektionskrankheiten besonders gefährdet. Das Risiko für Infektionen kann einerseits durch die immunvermittelte Erkrankung erhöht sein. Andererseits können auch Medikamente und Immuntherapien, die bei chronisch-entzündlichen Krankheiten eingesetzt werden, das Immunsystem schwächen. 

Impfungen gehören zu den wichtigsten Maßnahmen, um Infektionskrankheiten vorzubeugen und ihre Verbreitung einzudämmen. Impfungen retten Millionen von Menschen weltweit das Leben. Manche Erkrankungen gibt es dank der Impfungen nicht mehr.  

Generell gilt: Je mehr Menschen geimpft sind, desto weniger können sich die jeweiligen Erkrankungen verbreiten. Denn Impfungen schützen nicht nur die geimpften Personen selbst, sondern auch die Menschen um sie herum: Impfungen können verhindern oder verringern, dass Krankheitserreger weitergegeben werden. Dadurch sind auch Personen geschützt, die sich nicht impfen lassen können oder bei denen die Impfung nicht ausreichend wirksam ist – manchmal aufgrund von Autoimmunerkrankungen.

Impfen bei Immunsuppression

Unser Immunsystem besteht aus verschiedenen Immunzellen und Abwehrmechanismen. Zum Beispiel aus den sogenannten T-Zellen, die zu den weißen Blutkörperchen gehören sowie aus Eiweißstoffen, die Antikörper genannt werden. Beide helfen, Erreger zu bekämpfen. Nicht nur Infektionen, auch Impfungen aktivieren das Immunsystem. Um zu prüfen, wie erfolgreich eine Impfung war, können Antikörpertests durchgeführt werden. 

Immunvermittelte Erkrankungen wie MS, Rheuma und chronisch-entzündliche Darmerkrankungen wie Morbus Crohn und Colitis ulcerosa lösen in der Regel keine schwere Immunschwäche aus. Während eines Krankheitsschubs oder während einer Behandlung mit immunsuppressiven Medikamenten sollten grundsätzlich jedoch keine Lebendimpfstoffe verabreicht werden. Deshalb sollten Menschen mit einer Vorerkrankung mindestens 6 Wochen vor Beginn der immunsuppressiven Therapie geimpft werden. Das betrifft beispielsweise Impfungen gegen Masern, Mumps, Röteln und Windpocken. Auch Reiseimpfungen gegen Gelbfieber und Typhus gehören zu den Lebendimpfstoffen sowie die Impfung gegen Rotaviren für Kinder. 

Ohne ausreichenden Impfschutz besteht ein erhöhtes Risiko für eine Infektionskrankheit wie beispielsweise Masern. Deshalb sollten nach Kontakt mit einer erkrankten Person entsprechende Vorsichtsmaßnahmen getroffen werden. Das wird als Post-Expositionsprophylaxe bezeichnet, die „Vorbeugung nach dem Kontakt“. 

Was in Ihrem individuellen Fall zu beachten ist, sollten Sie mit einer Ärztin oder einem Arzt besprechen, die Erfahrung mit chronisch-entzündlichen Erkrankungen haben.

(Quelle: Robert Koch-Institut: Infektionsepidemiologisches Jahrbuch meldepflichtiger Krankheiten für 2020 und Empfehlungen der Ständigen Impfkommission beim Robert Koch-Institut 2022)

Können Menschen sich auch bei Blutungsneigung impfen lassen? 

Manche Menschen fragen sich, ob sie sich bei einer Gerinnungsstörung impfen lassen können. Für sie ist es fast immer möglich, den Impfstoff nicht in den Muskel (intramuskulär), sondern ins Unterhautfettgewebe (subkutan) zu spritzen, um Blutungen zu verringern. (Quelle: Robert Koch-Institut: Impfen bei Blutungsneigung

Lesen Sie in dem Beitrag weiter für konkrete Impfempfehlungen für Menschen mit Immunsuppression.

Wirken Impfungen bei Menschen mit chronisch-entzündlichen Erkrankungen?

Medikamente, die das Immunsystem unterdrücken, können dazu führen, dass Impfungen weniger wirksam sind. Eine Impfung ist für Menschen mit immunvermittelten Erkrankungen meistens dennoch sinnvoll. Auch wenn die Impfung nur teilweise wirken sollte, können schwere Krankheitsverläufe vorgebeugt oder gemildert werden. 

Grundsätzlich haben Menschen mit chronisch-entzündlichen Erkrankungen jedoch eine gute Impfantwort. Das heißt, dass sie nach einer Impfung ausreichend Antikörper bilden. So haben Studien gezeigt, dass Menschen mit MS nach einer Impfung nicht grundsätzlich weniger Antikörper bilden als Menschen ohne MS. Bei Menschen mit Rheuma oder einer CED wurde beispielsweise für die Hepatitis-B-Impfung eine verringerte Impfantwort beschrieben, dennoch waren sie ausreichend gegen die Erkrankung geschützt.

Ist die Corona-Impfung bei Rheuma, Multipler Sklerose und CED sinnvoll? 

Personen über 60 Jahre und Menschen mit chronischen Erkrankungen haben ein höheres Risiko für schwere Verläufe von COVID-19. Auch Menschen mit chronisch-entzündlichen Erkrankungen wird empfohlen, sich gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 impfen zu lassen. Sie haben aufgrund ihrer Erkrankung und der Behandlung ein erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf. Impfungen gegen SARS-CoV-2 können dieses Risiko verringern und damit Leben retten. Erhalten Menschen eine immunsuppressive Behandlung, ist die Immunantwort nach der Corona-Impfung zwar abgeschwächt, aber nur sehr selten nicht nachweisbar.  

Der Seite des Robert Koch-Instituts können Sie die aktuellen Impfempfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) entnehmen.  

Manche Menschen sorgen sich vor schweren Nebenwirkungen durch die Corona-Impfungen wie zum Beispiel Hirnvenenthrombosen oder Herzmuskelentzündungen („Myokarditis“). Diese sind jedoch selten. Das Risiko einer Komplikation durch eine Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus ist deutlich größer als durch eine Impfung, wie groß angelegte Studien während der Pandemie zeigten.

Welche Nebenwirkungen und Reaktionen können Impfungen auslösen?

Impfungen können aber auch unerwünschte Wirkungen auslösen. Zu den üblichen Reaktionen eine Impfung gehören Schmerzen und Rötung der Einstichstelle, Abgeschlagenheit, Unwohlsein, Kopf- und Gliederschmerzen, Fieber, Übelkeit und andere Magen-Darm-Beschwerden. Diese Reaktionen treten 1 bis 3 Tage nach der Impfung auf. Sie sind Zeichen dafür, dass das Immunsystem auf den Impfstoff reagiert. Lebendimpfstoffe können in einem Zeitraum von 1 bis 3 Wochen die gleichen Symptome hervorrufen. Beschwerden, die länger andauern, werden als mögliche Impfkomplikationen behandelt und durch die Ärztin oder den Arzt gemeldet.  

Eine individuelle Abschätzung möglicher Impfrisiken für Menschen mit chronisch-entzündlichen Erkrankungen gemeinsam mit ihrer Ärztin oder ihrem Arzt sind wichtig.

Können Impfungen einen CED-, Rheuma- oder MS-Schub auslösen?

Impfungen aktivieren das Immunsystem, um eine Immunantwort gegen bestimmte Erreger aufzubauen. Deshalb können sich die Krankheitssymptome kurz nach der Impfung vorübergehend verstärken. Das Risiko für einen Krankheitsschub nach einer Impfung ist jedoch gering. Bakterielle und virale Infekte führen bei einer chronisch-entzündlichen Erkrankung häufiger zu einem Krankheitsschub als eine Impfung. Studien zeigen, dass Menschen mit Multipler Sklerose oder mit einer CED häufiger einen Krankheitsschub nach einer COVID-19-Infektion hatten als nach der Impfung. Aufgrund der schweren möglichen Krankheitsverläufe, Komplikationen und Folgeerkrankungen wie beispielsweise Long Covid überwiegt der Nutzen einer Impfung deutlich.

Impfungen schützen viel häufiger vor Krankheitsschüben, als dass sie sie auslösen. Nach jetzigem Wissensstand lösen Impfungen keine chronisch-entzündlichen Erkrankungen aus. 

Impfen bei Morbus Crohn und Colitis ulcerosa

An fünf deutschen CED-Zentren wurde eine Studie mit fast 900 Menschen durchgeführt. Sie zeigt, dass Corona-Impfungen nicht häufiger zu Schüben führen. Die Studienteilnehmenden berichteten auch von keinen negativen Einflüssen auf Stuhlfrequenz, rektale Blutabgänge und Bauchschmerzen. Eine Infektion mit SARS-CoV-2 kann jedoch, wie andere Infektionen, Symptome einer CED verstärken oder einen Schub auslösen.

Impfen bei Multipler Sklerose (MS) 

Impfungen erhöhen zum jetzigen Wissensstand nicht das Risiko, an einer MS zu erkranken. Auch Kinder von Menschen mit MS können die für sie empfohlenen Impfungen erhalten. Impfungen lösen wahrscheinlich auch keinen Krankheitsschub aus. Die MS-Beschwerden können sich nach der Impfung kurzzeitig verschlechtern und es kann beispielsweise Fieber auftreten. In Studien hatten weniger Menschen mit MS einen Schub nach einer Corona-Impfung als nach einer COVID-Infektion.
Der Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft, Bundesverband e. V. bietet Informationsbroschüren über Impfungen bei MS an.

Impfen bei Rheuma 

In Studien wurden selten kurzzeitige akute Krankheitsschübe bei Menschen mit Rheuma nach einer Impfung dokumentiert. Es ist unklar, ob eine Impfung eine Verschlechterung der rheumatischen Symptome auslösen kann. Die Impfreaktionen unterscheiden sich nicht wesentlich von gesunden Personen. Die Datenlage zur Krankheitsverschlechterung im Zusammenhang mit Impfungen ist jedoch gering und weitere Studien sind nötig.  

Was ist während der Schwangerschaft und Stillzeit zu beachten? 

Frauen, die schwanger sind und eine immunvermittelte Krankheit haben, können bei einer Infektion einen schwereren Verlauf haben. Deshalb wird ihnen empfohlen, sich zum Schutz während der Schwangerschaft beispielsweise gegen die Grippe (Influenza) impfen zu lassen.  

Von Impfungen mit Lebendimpfstoffen wird während der Schwangerschaft grundsätzlich abgeraten, unabhängig von vorhandenen Vorerkrankungen. Erfahren Sie in diesem Beitrag, was beim Impfen während Schwangerschaft und Stillzeit außerdem zu beachten ist. 

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